Reform?

Reform bezeichnet in der Politik eine größere, planvolle und gewaltlose Umgestaltung bestehender Verhältnisse und Systeme. 
So habe ich es einmal gelernt und so steht es auch in der Wikipedia. Eine Reform ist immer ein größeres Unterfangen mit einschneidenden Änderungen, die jedoch geplant durchgeführt werden soll und auch ohne Gewalt auszuüben.

Nun, wenn ich mir an anschaue, was bei der Kreisgebietsreform Mecklenburg-Vorpommern seit 2011 hier geschieht, dann kann ich nur feststellen, daß nichts, aber auch gar nichts richtig und überhaupt nichts geplant durchgeführt wird.

Das Gesetz zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreisstrukturgesetz) hat bisher nur Strukturen zerstört oder zerstört sie gerade. „Zukunftsfähig“ ist ein Euphemismus. Auf der Strecke bleibt die Bevölkerung. Aber die verschwindet ja sowieso, die Jungen dahin wo es Jobs gibts, die Alten dahin, wo es Särge gibt.

Planvoll?

  • Bis heute hat die Verwaltung des Kreises Vorpommern-Greifswald keinen Verwaltungssitz.  Da wird gestritten und polemisiert. So ist es immer, wenn ohne Sinn und Verstand irgendetwas angeordnet, beschlossen wird: dann ist hinterher das Geheule und Gezänk groß.
  • Ich habe noch keine Information erhalten, wo welche Behörde, welches Amt nun zu finden sei. Das erfährt man immer erst, wenn man aufs Amt muß. Ach nein, heißt es dann beispielsweise in Züssow, das ist jetzt nicht mehr hier, das ist in Anklam! Aber wo, das kann ich Ihnen nicht sagen, ich kenne mich da nicht aus…
  • Heutzutage kann man sich ja im Internet informieren, da findet man ja alle Information! Wie das hier mit der Bandbreite aussieht, ist ja bekannt. Und daß die Teile der Bevölkerung, die zum Amt müssen, nicht unbedingt die netzaffinen Youngsters sind, ist ja wohl auch klar.
    Dann versuchen Sie einmal im Internet herauszufinden, welche Behörde wo verantwortlich ist für das Fällen der Bäume an den Bundesstraßen des Kreises in den letzten Wochen. Der unbedarfte Netznutzer versucht es mit der URL www.vorpommern-greifswald.de, aber wo landet er da? Nicht beim Landkreis Vorpommern-Greifswald, sondern bei einer IT-Firma! Der Landkreis ist unter der URL www.kreis-vg.de zu erreichen. Auch toll geplant und vorbereitet!
    Ach ja, auf meine Anfrage bei der Behörde, die ich dann nach mühevollem Suchen gefunden habe, ist bis heute nicht beantwortet worden. Ich habe aber auch meine Anfrage zum Baumfällen per email gestellt, besser wäre ich wahrscheinlich mit der Postkutsche vorgefahren …
  • Es gibt nun bundesweit eine einheitliche Behördenrufnummer, die 115. Da könnte man ja anrufen und sich schlau machen. Aber nein, da bekommt man eine Ansage, daß leider in unserem Bereich die Nummer noch nicht eingeführt sei. Auch wieder toll! Immerhin hat diese Nummer eine eigene Webseite: http://www.115.de , auf der ich erfahre, daß inzwischen 289 Kom­mu­nen, 12 Län­der und 88 Bun­des­be­hör­den daran teilnehmen. Aber eben MeckPomm nicht, wir sind ja mit der Kreisgebietsreform überfordert…
  • Versuchen Sie einmal, die Polizei zu kontaktieren. Eine Anzeige gibt man ja nun nicht unbedingt über die Rufnummer „112“ auf, da geht man doch eher auf die Wache, oder? Hier gibt es keine Wache. Der Dorfpolizist Krause ist eine Schimäre. Ja, in Züssow war mal eine Wache. Ist aber nicht mehr. Habe ich jedenfalls nicht gefunden. In Wolgast ist jetzt die Wache. Ganz neu gebaut wurde das Gebäude. Aber: wenn man schon reformiert, kann man ja auch gleich die Zuständigkeit der Polizei-Reviere umkrempeln. Die Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern informiert zwar auf ihrer Webseite „Ihre Polizei vor Ort“ / Die Schutzpolizei 24 Stunden für Sie da“, aber das ist Marketinggewäsch.  „Unser“ Polizeipräsidium sitzt in Neubrandenburg, in Anklam gibt es eine Kriminalpolizeiinspektion und eine Polizeiinspektion.
    Polizeipräsidium Neubrandenburg
    Polizeipräsidium Neubrandenburg

    Diese Karte ist ein Screenshot aus der Imagebroschüre NB PP. Auch die musste ich im Netz erst finden, an die Bürger verteilt wurde sie meines Wissens nicht. Jedenfalls nicht flächendeckend. Macht aber nichts, denn die Bürger schauen ja auch lieber „Großstadt-Revier“ als „Land-Revier“ im Fernsehen…
    Wenn man sich diese Broschüre wenigstens ein bisschen vergrößern könnte, um die zuständige Wache auf der Karte zu finden, geht aber nicht.
    Es gibt aber eine Liste der Reviere, online, und da soll es doch noch tatsächlich eine Wache in Züssow in der Dorfstrasse 10 geben. Da werde ich mal hingehen, um herauszufinden, ob es die noch gibt.

    Man hat zwar in Wolgast ein richtig schönes Polizeigebäude gebaut und letztlich in Betrieb genommen, aber da ja die Bevölkerung immer weniger wird, das Anzeige-Aufkommen immer geringer, wurde die Besatzung dieses Polizeistützpunktes planvoll reduziert. Warum wird das Anzeige-Aufkommen geringer? Doch nicht, weil hier alles so ruhig und friedlich ist. Nein, weil man das Aufgeben von Anzeigen (sowie auch andere „Polizei-Dienstleistungen“ so planvoll erschwert! Wenn die Leute erstmal gar keine Polizei mehr finden, dann geben sie schon Ruhe.

  •  Nächster Punkt nach Kreisgebietsreforum und Polizeireform: die Gerichtsstruktur-Reform. Das Anklamer Amtsgericht soll zu einer Zweigstelle des AG Pasewalk werden und das Wolgaster Amtsgericht soll komplett geschlossen werden. Auch hier wieder der Vorsatz: entfernt die Bürger von den Behörden. Verwirrt sie solange, bis sie nicht mehr wissen, wo sie sich hinwenden müssen, um ihr Recht zu bekommen und nehmt ihnen, was sie wissen (die alten Standorte).

    Am kommenden Donnerstag, 14. März 2013, findet um 16:00  die erste Demonstration gegen die Schließung des Amtsgerichtes Wolgast in Wolgast statt.  Auf der Webseite der Stadt Wolgast findet man dazu genauere Angaben:
    Demo für das Amtsgericht Wolgast

  • ich könnte noch viele viele Punkte hier aufführen

Nun ist das ein recht langer Artikel geworden. Ich habe aufgelistet, was mir zu den Reformen in unserer Gegend so einfällt. Welchen Schluß ich daraus ziehe?

Das Gesetz zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist nicht vereinbar mit den Aufgaben der Verwaltung.  Zukunftsfähig ist Schönfärberei. Literaturtipp:  Kafka: Der Prozess. auch online zu finden, denn mit dem Bus zum Buchladen kommt man hier ja nicht mehr.

Das Gesetz und seine planvolle Umsetzung zementieren die Entfernung der Bürger vom Staat, von der Verwaltung, nähren die Politikverdrossenheit und verschlechtern die Lebenssituation der Bevölkerung. 

Da bleibt mir nur eine kleine Bitte an den Gemeinderat der Gemeinde Gribow: Hängt doch wenigstens eine Liste mit den zuständigen Ämtern und deren Telefonnummern, Adressen etc. in den Kasten! Aber das, lieber Leser, ist auch nur eine Bitte. Sowas muss man ja nicht zur Kenntnis nehmen.