Gestern in Wolgast

Bei der Demo ging es um den Erhalt des Amtsgerichtes Wolgast im Besonderen und um die geplante Gerichts-„Reform“ (50% aller Amtsgerichte sollen geschlossen werden).

Erfreulich viele Menschen waren zusammengekommen um ihren Unmut gegen diese „Reform“ auszudrücken. Die meisten aus der Wende-Generation, wenn ich das richtig einschätze.

Wenn die Hälfte aller Amtsgerichte geschlossen werden kann, was sind die Gründe dafür?
Sind die Menschen friedfertiger geworden? (Dann wären die Kirchen voller…)
Werden die Klagen schneller bearbeitet, die Urteile flotter gefällt? (Das hätten die Klagenden und Beklagten bemerkt…)
Haben die Richter mehr Zeit für ein Verfahren, für mehr Konzentration? (Davon hat bisher noch niemand etwas gehört…)

Der Grund für die Absicht, so viele Gerichte zu schließen, muß also woanders liegen. Wahrscheinlich sind es wohl mehrere Gründe:

  • Gerichtsbarkeit ist teuer. Und Geld ist wenig da. Also reduziert man die Anzahl der Gerichte, dann werden die Bürger schon weniger klagen (ist doch das Amtsgericht die erste Instanz für Straf- und für Zivil-Recht).
  • Wo kein Kläger, da kein Richter sagt ja schon eine Volksweisheit. Also werden sich die Klagefälle schon reduzieren, wenn man die Gerichte nur weit entfernt von den Menschen plaziert.
  • Daß der Bürger jetzt schon die meisten Institutionen nicht mehr ohne eigenes Auto erreichen kann, kommt noch dazu. Auch der Öffentliche Nahverkehr (oder das, was davon noch übriggeblieben ist) trägt dazu bei, daß man nicht mehr zu seinem Recht kommt. Jawohl: „zu seinem Recht kommen“ hat mehrere Bedeutungsebenen…

Wenn man dann noch Nebelkerzen wirft und den rechtssuchenden Menschen die Informationen, welches Gericht zuständig sei, vorenthält (wie man das ja erfolgreich schon bei anderen Behörden praktiziert), ja dann rechnet sich solch eine Gerichts-Reform.

Was aber erreicht man mit einer solchen Entfernung der Gerichte von den Bürgern?

  • Gerichtsbarkeit ist im Alltag nicht mehr wahrzunehmen. Ein Rechtsstaat, der seine Justiz-Institutionen aus dem Wahrnehmungsfeld der Bürger entfernt, schwächt das Vertrauen in das Recht.
  • Reformen, die bewirken, daß die Bürger ihre Verwaltungs- und Rechts-Institutionen nicht mehr erreichen können, stärken die Politikverdrossenheit.
  • Politikverdrossenheit ist das Instrument, auf dem die demokratiefeindlichen Parteien (ja, es werden mehr) und Interessengruppen spielen.

Solche Reformen widersprechen dem Verfassungsauftrag. Schaffen rechtsfreie Räume.